Kunsthandwerk der besonderen Art in Saint-Nectaire
Fontaines Pétrifiantes de Saint-Nectaire, Frankreich
Wie durch viel Geduld, Hingabe und Arbeit mit Hilfe einer Mineralquelle wundervolle Bilder und Kunstwerke entstehen, erfahren wir auf einer Betriebsbesichtigung in Saint-Nectaire. Diese französische Gemeinde liegt im Département Puy-de-Dôme. Das faszinierende Kunsthandwerk, durch das unter anderem sogenannte Kalktafeln entstehen, ist alles andere als staubtrocken, aber überzeug dich selbst.
Am Nachmittag erreichen wir das kleine Örtchen Saint-Nectaire. Als erstes fällt uns die große, romanische Kirche auf, die sich hoch oben auf einem Berg über der Gemeinde erhebt. Diese ehemalige Wallfahrts- und Prioratskirche Saint-Nectaire ist nur eines der Aushängeschilder der Stadt. Denn die kleine Gemeinde, im Département Puy-de-Dôme, ist ebenfalls für seinen gleichnamigen Käse bekannt. Dieser milde, unglaublich leckere Kuhmilchkäse wird hier im Umland hergestellt.
Des Weiteren sind die Thermalquellen im Ort ein wahrer Touristenmagnet. Nichts desto trotz besuchen wir Saint-Nectaire wegen einer vierten Besonderheit. Mitten im Ortskern liegt das ‚Fontaines Pétrifiantes de Saint-Nectaire‘.
Wenn du nicht zufällig schon einmal hier warst, kannst du dir unter dem Namen nun sicher nichts vorstellen. Deshalb nehmen wir dich jetzt mit und entführen dich in eine ganz besondere Welt des Kunsthandwerks, die seit 1922 der Öffentlichkeit zur Besichtigung zur Verfügung steht.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Betriebs, gleich neben dem großen Thermalbad, gibt es einen Parkplatz, wo sowohl Autos, als auch Wohnmobile ausreichend Platz finden.
63710 Saint-Nectaire
Eintritt: Erwachsene: 6 Euro / Kinder 7 – 15 Jahre: 3 Euro
Die Öffnungszeiten stehen unter „Informationen“ auf der Website
Nach einer freundlichen Begrüßung gelangen wir in einen Geologieraum, wo uns der vulkanische Ursprung der Mineralquellen erklärt wird, die wir im Folgenden zu Gesicht bekommen werden.
Weiter geht es durch eine Tür und es wird schlagartig dunkel. Wir sind in einer schummrig beleuchteten Grotte. Eine Fledermaus kommt uns entgegen geflogen und ich muss zugeben, im ersten Moment ist mir etwas mulmig zumute. Schnell werden wir beruhigt, dass die Fledermäuse nichts tun und stattdessen wird unser Blick wenige Schritte weiter auf die Höhle gelenkt.
Wow, so etwas kenne ich sonst nur von einem Besuch in einer Tropfsteinhöhle. Es gibt einen kleinen See, Stalaktiten hängen von der Decke und hin und wieder hört oder spürt man einen Tropfen fallen. Auf der anderen Seite der Höhle stehen Figuren auf kleinen Felsvorsprüngen.
Die Grotte hat zwei Quellen: Eine 52 Grad heiße Quelle und eine 18 Grad kalte Quelle, so hat sich das Wasser hier auf etwa 35 Grad eingestellt. An der Farbgebung können wir erkennen, dass es sich hier um sehr Mineralstoffhaltiges Wasser handelt. Allerdings liegt alles gelöst vor und so kommt es zu keinen Ablagerungen. Einzig an den Rändern hat sich das orangerote Eisenoxid abgesetzt.
Wir gehen ein Stück weiter. Die Luftfeuchtigkeit ist hier sehr hoch, aber dennoch nicht unangenehm. Es gibt eine weitere kleine, beleuchtete Höhle, wo neben den Stalaktiten auch Stalagmiten wachsen. Wieder sind zwei Figuren zu sehen, die angeleuchtet werden. Stalaktiten wachsen übrigens von der Decke, also von oben nach unten und Stalagmiten sind auf dem Grund/Boden zu finden und wachsen von unten nach oben.
Wir folgen dem Gang. Links, neben uns, auf dem Boden verläuft eine Art Rinne, wo etwas Wasser aus der Grotte ablaufen kann. In der Rinne befinden sich Hobelspäne. Diese werden zur natürlichen Filterung genutzt. Damit sie durch das mineralhaltige Wasser nicht versteinern, werden sie zweimal im Jahr ausgetauscht.
Wenige Meter weiter verlassen wir die Höhle und gelangen in einen Gang, wo hinter Fenstern die Werkstätte zu sehen sind. Matritzen stehen im Raum und Formen lehnen in den Regalen an der Wand. Ein perfekter Raum zum Werkeln. Hier wird eine Art Kautschuk aufgeweicht, geknetet und auf Kupfer- oder Kunstharz- Matrizen gebracht. Diese werden dann zusammen unter eine Presse gelegt. Dieser Pressvorgang dauert sage und schreibe acht bis vierzehn Monate, ehe der Trocknungs- und Pressvorgang abgeschlossen ist.
Eine weitere „Kunst“ ist es, denn die Platten aus pflanzlichem Gummi dürfen nur unter dreizehn Grad erstellt werden, ansonsten verzieht sich das Naturprodukt. Deshalb werden diese Arbeiten auch nur von Oktober bis März durchgeführt. Die restliche Zeit des Jahres wird hier aber natürlich nicht nur „herumgesessen“, sondern die Werkzeuge gewartet und an neuen Ideen gearbeitet.
Wie du siehst, ist dieses eine ganz besondere Handwerkskunst, die besonders viel Geduld erfordert. Das ist ganz sicher auch einer der Punkte, wieso dieses Handwerk nicht von besonders vielen Menschen ausgeübt wird. Hier im Werk arbeiten tatsächlich nur der Besitzer Monsieur Papon und sein Helfer. Viele Auszubildende geben vor Beendigung der Ausbildung auf. Hier im Fontaines Pétrifiantes de Saint-Nectarie werden pro Jahr etwa 1.800 Kunstwerke hergestellt.
Während der weiteren Führung erfahren wir, dass neben einer unglaublichen Portion Geduld auch Fingerspitzengefühl zum Handwerk gehört. Besonders das Lösen des Abdrucks von der Matrize ist extrem heikel. Von allen, hier hergestellten Modellen/Werken gelingen 70%.
In der nächsten Werkstatt werden anschauliche, fertige Modelle präsentiert. Nicht nur Bilder gehören zur Auslese, sondern auch interessante Figuren in den unterschiedlichsten Größen und Formen.
Als nächstes kommen wir in einen Ausstellungsraum. Hier wird die Geschichte des Werks noch einmal auf Tafeln präsentiert, Kunstwerke in den unterschiedlichsten Ausfertigungen sind ausgestellt und an der Seite läuft ein drei minütiger Film, wo das Handwerk vom Anfang bis zum Ende in Bild und Ton präsentiert wird.
In dem Familienbetrieb arbeiten insgesamt fünf Mitarbeiter und wir sind wirklich begeistert, was so ein kleines Team hier auf die Beine gestellt bekommt. Das gesamte Werk ist sauber, ordentlich und sehr anschaulich. Ein lohnenswerter Ausflug für die gesamte Familie.
Als nächstes folgt das Highlight des Betriebs Papon. Wir gelangen in einen riesigen, abgedunkelten Raum. Hier sind wir wohl im interessantesten Raum, bei der Quelle oder auch am Wasserfall angekommen. Wir laufen über eine Empore und haben von hier oben einen wunderbaren Blick auf eine etwa vierzehn Meter hohe Leiter, die sogenannte Versteinerungsleiter.
Von oben fließt das mineralhaltige Wasser auf die einzelnen Treppenstufen hinab. Auf diesen stehen die einzelnen Kunstwerke aufgereiht, so dass sich das Calciumcarbonat auf den Abdrücken ablagern kann. Die Kunstwerke aus Kalk bleiben je nach Größe und Form zwischen sechs und zwanzig Monaten auf der Versteinerungsleiter. Jeden Tag werden die Modelle einzeln betrachtet und gegebenenfalls auf der Versteinerungsleiter gewendet oder umgelagert. Was das für eine unglaubliche Menge an Arbeit ist, können wir uns nur im entferntesten vorstellen, immerhin lagern auf der Treppe hunderte von Platten und weitere Kunstwerke.
Familie Papon produziert nicht nur für die Eigenherstellung, sondern fertigt auch Kunstwerke auf Bestellung an. So entsteht ein kunterbuntes Bild auf der Versteinerungsleiter. Auch die Leiter muss übrigens regelmäßig erneuert werden, damit sie nicht ebenfalls versteinert.
Als wir uns von dem faszinierenden Anblick des plätschernden Wasserfalls und den riesigen Leitern, voller Kunstwerke lösen, gehen wir durch die nächste Tür und gelangen in den Ausstellungsraum. Hier werden die Ergebnisse des geduldigen Herstellungsprozesses ausgestellt und zum Kauf angeboten. Es gibt überwiegend Kalktafeln in den unterschiedlichsten Größen, Formen und mit den interessantesten Motiven. Wir sind ganz verzaubert von der filigranen Arbeit. Aber auch größere und wesentlich aufwändigere Kunstwerke sind hier ausgestellt.
Nach dieser durchweg interessanten Betriebsbesichtigung verabschieden wir uns und machen uns auf den Weg zu unserem Campingplatz. Dieser liegt Nahe Murol, einem kleinen Örtchen, etwa sechs Kilometer westlich von hier.
Auf dem großen Platz werden wir freundlich begrüßt und können eine kurze Verschnaufpause einlegen, ehe wir eine Führung über den Platz bekommen und anschließend im wunderschönen Zentrum von Murol essen gehen.
Campingplatz: Sunêlia La Ribeyre *****
Jassat,
63790 Murol
Fazit:
Ich muss zugeben, als ich den Programmpunkt „Betriebsbesichtigung Fontaines Pétrifiantes de Saint-Nectaire“ gelesen habe, konnte ich mir nicht viel darunter vorstellen und war gespannt. Das daraus eine so interessante Betriebsführung wurde, erstaunt mich noch heute. Staubtrockene Museumsbesuche sind so gar nicht mein Fall, aber davon ist hier weit gefehlt. Wir waren von Anfang bis Ende gebannt von dieser interessanten Kunsthandwerkstechnik, die hier auf so offene Weise dargestellt und den Kunden präsentiert wird. Der Besuch ist auch durchaus für (etwas ältere) Kinder interessant.
Offenlegung | Zu diesem Besuch wurden wir vom Auvergne-Tourismus eingeladen. Wie immer wird unsere Meinung dadurch in keinster Weise beeinflusst. Die gesamte Route und weitere Informationen zu dieser Reise findest du auf der Hauptseite: „Liebe Auvergne, du hast uns verzaubert.“
Ein sehr toller Post!
Vielen Dank, Tim.