Arctic Circle Trail in Grönland: Auf 11 Etappen und 150 km durch die Arktis
Der Arctic Circle Trail in Grönland ist für Stefan ein großes Trekking-Abenteuer und seine bisher längste Wanderung. 150 Kilometer wandert er nördlich des Polarkreises durch die beeindruckende und wilde Natur Grönlands.
Wechselndes Wetter, schwieriges Gelände, Hunger, Durst und lästige Mückenschwärme müssen gemeistert werden. In diesem Artikel erzählt er von seinen Erlebnissen und Erfahrungen auf dem Arctic Circle Trail und gibt dir viele Informationen und praktische Tipps für die ACT-Wanderung.
Wo verläuft der Arctic Circle Trail in Grönland?
Der Arctic Circle Trail führt von Kangerlussuaq bzw. dem Rand des Inlandeises über etwa 170 km bis nach Sisimiut an der Westküste.
Unsere Arctic Circle Trail Etappen
- 1. Etappe: Kangerlussuaq – Kellyville | 15 km / leicht
- 2. Etappe: Kellyville – Ostufer des Qarlissuit | 17 km / leicht
- 3. Etappe: Ostufer des Qarlissuit – Hütte Katiffik | 7 km / leicht
- 4. Etappe: Hütte Katiffik – Landzunge am Amitsorsuaq | 12 km / mittelschwer
- 5. Etappe: Kanucenter – Abfluss des Amitsorsuaq am Westufer | 4 km / leicht
- 6. Etappe: Amitsorsuaq Westufer – Ikkatooq Hütte | 19,2 km / schwer
- 7. Etappe: Ikkatooq Hütte – Eqalugaarniarfik Hütte | 12,6 km / mittelschwer
- 8. Etappe Eqalugaarniarfik Hütte – Innajuattoq II Hütte | 20,7 km / schwer
- 9. Etappe Innajuattoq II Hütte – Nerumaq Hütte | 17,5 km / leicht
- 10. Etappe Nerumaq Hütte – Hütte am Fjord Kangerluarsuk Tulleq | 17,5 km / mittelschwer
- 11. Etappe Hütte am Fjord Kangerluarsuk Tulleq – Sisimiut | 22,5 km / mittelschwer
Warum der ACT in Grönland?
Nach unserer gemeinsamen Trekking-Tour am Lysefjord in Norwegen wollen mein Kumpel Sven und ich etwas Längeres, Anspruchsvolleres ausprobieren.
Und vor allem soll es nicht so voll sein wie in Norwegen am Preikestolen.
Fernwanderwege in Schottland und Schweden fliegen daher auch bald aus dem Rennen, übrig bleibt nur der technisch einfache Arctic Circle Trail in Grönland (kurz „ACT“).
170 km durch relativ gleichbleibende Vegetation, von der Grenze des Inlandeises bis zur Westküste. 9 bis 11 Etappen werden meistens empfohlen. Das sollte machbar sein.
Besonders die Einsamkeit, die dieser abgelegene Wanderweg verspricht, reizt viele Trekkingbegeisterte.
Jährlich wird der Arctic Circle Trail von etwas über 1.000 Menschen gewandert. Was im Vergleich zu den tausenden Wanderern auf dem West Highland Way nicht viel erscheint.
Ohnehin ist Grönland nur spärlich besiedelt: Etwa 56.000 Menschen leben auf der größten Insel der Erde. Das ist nach der Antarktis die geringste Bevölkerungsdichte weltweit.
Und diese paar Menschen leben entlang der grünen Küstenstreifen – daher stammt auch der Name Grünland. Nur etwa 20 % des Landes sind eisfrei, der Rest wird noch vom zweitgrößten Eisschild der Erde bedeckt.
Noch, denn durch die Erderwärmung beginnt auch das Eis Grönlands zu schmelzen.
Planung für den Arctic Circle Trail
Anreise nach Grönland
Zur Planung empfehle ich den Wanderführer „Grönland: Arctic-Circle-Trail*“ aus der Outdoor-Reihe.
Die Beschreibungen und Karten passen nicht immer perfekt, aber das kleine Büchlein ist sehr gut, um es mit den Landkarten abzugleichen. Außerdem enthält es zu jeder Etappe Infos, Höhendiagramme und einen Eindruck, was einen unterwegs erwartet.
Wichtig zu wissen: Das Zeitfenster für den ACT ist kurz, etwa von Juni bis September.
Zum Sommerbeginn können Teile des Weges durch die Schneeschmelze sehr morastig und feucht sein. Außerdem führen manche Flüsse dann mehr Wasser, was das Furten erschweren kann.
Im September hingegen kann es nachts frieren, dafür sind wahrscheinlich die Mücken und Moskitos weniger zahlreich.
Wir entscheiden uns für Mitte August und buchen folgende Flüge:
- Düsseldorf – Kopenhagen mit Air Berlin = 85 EUR pro Person
- Kopenhagen – Kangerlussuaq – Kopenhagen mit Air Greenland = 765 EUR pro Person
- Sisimiut – Ilulissat mit Air Greenland = 215 EUR pro Person
- Ilulissat – Kangerlussuaq mit Air Greenland = 342 EUR pro Person
- Kopenhagen – Düsseldorf mit Air Berlin = 75 EUR pro Person
(Preise von 2015)
In Kangerlussuaq befindet sich auch der größte internationale Flughafen Grönlands, daher bietet sich der Ort als Startpunkt für den ACT an.
Da wir nach der Wanderung noch die Eisberge und den Eisfjord bei Ilulissat besuchen wollen, buchen wir die Flüge entsprechend wie oben beschrieben.
Strecke und Proviant
Wir planen für die Wanderung auf dem Arctic Circle Trail 13 Tage ein. Das gibt uns 2 Tage Puffer zu den üblichen 11 Etappen, falls unterwegs etwas schiefgehen sollte.
Dementsprechend muss pro Person auch für 13 Tage Proviant geplant werden.
Hier muss ich zugeben, habe ich mir nicht viele Gedanken gemacht. In meinen Rucksack wandern 8 Packungen „Trek N Eat“, 3-4 Asia Nudelsnacks und 2-3 Portionen Kartoffelbrei, die ich in einen Ziplockbeutel umfülle.
Also alles Essen, wo man nur heißes Wasser drüber kippen muss.
Zusätzlich habe ich noch 10 Cliff Bars Energieriegel, 10 Snickers, eine kleine Tüte Studentenfutter und eine kleine Packung Dextro Energen dabei. Besonders so ein Snickers oder ein Dextro Energen wirkt Wunder, wenn man total platt ist und denkt, nichts geht mehr!
In Kangerlussuaq gibt es einen kleinen Supermarkt und einen Outdoorladen.
Da man das Gas für den Campingkocher nicht mit ins Flugzeug nehmen darf, müssen wir also hoffen, dass es in einem dieser Läden das passende Gas zu kaufen gibt.
Per E-Mail reserviere ich eine Kartusche bei dem Outdoorladen, aber als wir dort ankommen, gibt es kein Gas mehr. Im Supermarkt haben sie normalerweise auch verschiedene Sorten an Campinggas, aber nicht zu dem Zeitpunkt, als wir dort sind.
11 Etappen auf dem Arctic Circle Trail in Grönland
1. Arctic Circle Trail Etappe: Kangerlussuaq – Kellyville
Wir beginnen den Arctic Circle Trail gegen Mittag. Nach der Landung in Kangerlussuaq versuchen wir erfolglos Brennstoff für unseren Primus zu bekommen.
Im Supermarkt kaufen wir daher noch einiges an frischen Lebensmitteln und finden uns damit ab, die nächsten Tage kein warmes Essen zu haben.
Die Suche nach Gas oder Benzin dauert jedoch so lange, dass wir die verlorene Zeit mit einer Taxifahrt wieder reinholen müssen. Für 40 EUR lassen wir uns zur Forschungsstation Kellyville bringen, wo der Arctic Circle Trail offiziell beginnt.
Normalerweise ist diese Strecke leicht und 15 Kilometer lang.
2. Arctic Circle Trail Etappe: Kellyville – Ostufer des Qarlissuit
Bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen marschieren wir los. Der Weg ist gut zu erkennen und immer wieder mit Steinmännchen oder roten Markierungen versehen.
Es geht vorbei an tiefblauen Seen, über sanfte Hügel und durch herbstlich gefärbtes Gestrüpp.
Nach ein paar Kilometern habe ich mir eine kleine Blase gelaufen, auf die direkt mal ein Blasenpflaster geklebt wird. Wir schätzen, es ist Abend, als wir auf einem Hügel oberhalb des Sees Qarlissuit unser Zelt aufbauen.
Da die Sonne über dem Polarkreis aktuell nicht wirklich untergeht, ist es schwierig, eine Uhrzeit zu ermitteln. Zum Glück können wir kein Essen kochen und flüchten daher direkt ins Zelt, bevor die Mücken uns komplett zerstechen.
Wir haben ca. 17 Kilometer auf der leichten Etappe zurückgelegt.
3. Arctic Circle Trail Etappe: Ostufer des Qarlissuit – Hütte Katiffik
Man sollte sich nicht auf Sommertemperaturen verlassen, wenn man den Arctic Circle Trail im August wandert.
Heute Morgen ist es so kalt, dass ich mein dickes Merinoshirt aus dem Rucksack holen muss. Aber schon nach kurzer Zeit wird es durch die Bewegung schnell warm.
Wir folgen dem schmalen Wanderweg etwa 2 bis 3 Stunden und verlieren ihn plötzlich einfach aus den Augen.
Ein kurzer Blick auf das GPS-Gerät versichert uns jedoch, dass wir noch in die richtige Richtung gehen. Wir steigen also querfeldein über einen Berg, anstatt außen herumzugehen – also genau entgegen den Hinweisen im Wanderführer.
Oben auf dem Berg angekommen sehen wir in der Ferne an einem Seeufer bereits das heutige Ziel: Die Hütte Katiffik.
In der Hütte finden sich Schlafplätze für 6 Personen. Es ist niemand hier. Wir machen es uns gemütlich, nachdem ich mich ganz kurz im eiskalten See gewaschen habe.
Den Nachmittag widme ich der Pflege meiner geschundenen Füße. Als ich das Pflaster abziehe, klebt ein gutes Stück Haut mit dran. Darunter eine kleine, jedoch nässende Wunde, die ich über die nächsten Stunden versuche zu trocknen, damit morgen früh ein frisches Blasenpflaster darauf haftet.
Gegen Abend kommen immer mehr Leute in die Hütte. Draußen ist der Regen, der vor kurzem eingesetzt hat, in Schnee übergegangen!
Und während sich alle in die Schlafsäcke verziehen, trifft ein völlig durchgefrorenes Paar aus Kanada ein. Damit ist die Hütte mit 7 Menschen belegt, was die Luft so aufheizt, dass ich in der Nacht meinen Schlafsack öffnen muss, weil es so warm ist.
Unsere 3. leichte Etappe war 7 Kilometer lang.
4. Etappe: Hütte Katiffik → Landzunge am Amitsorsuaq
Zusätzlich zu dieser Etappe machen wir heute noch 10 km von der 5. Etappe, um bis zum Kanucenter zu kommen.
Als wir morgens aufbrechen, ist es sehr ungemütlich. Der Schnee liegt teilweise noch und hat sogar die Zelte anderer Wanderer rund um die Hütte unter sich begraben.
Die scheinen sich aber nicht daran zu stören und sind wie alle mit dem Aufbruch beschäftigt. Der Himmel ist grau, es ist windig und kalt – perfektes Wetter also, um mit einem mehr oder weniger dichten Kanu im Zick-Zack-Kurs über den See zu paddeln.
Wir sind sogar so dumm und paddeln mitten auf dem See, anstatt uns näher am Ufer zu halten, falls wir kentern sollten. Bitte achte unbedingt auf deine Sicherheit, wenn du auf dem Arctic Circle Trail die Kanus benutzen solltest!
Inzwischen sollen die Kanus aber größtenteils kaum noch nutzbar sein, und schon bei unserem Besuch sind die Paddel alle beschädigt.
Unterwegs sehen wir oberhalb der rechten Seite des Sees nach einer Weile drei Rentiere, die uns kurz beobachten, verächtlich mit den Köpfen schütteln und dann schnell verschwinden.
Nach drei Stunden paddeln bei heftigem Gegenwind, der uns immer wieder zurückschiebt und eine Welle nach der anderen gegen das Kanu treibt, geben wir auf.
Wir ziehen das Kanu an Land und die Böschung so hoch, dass andere Wanderer es nicht übersehen können, es nicht beschädigt wird und auch nicht zurück in den See geraten kann.
Bis zum Kanucenter sind es noch gut 16 Kilometer. Wir könnten auch unterwegs einfach das Zelt aufbauen, aber das Kanucenter bietet Platz für 20 Personen und hat außerdem richtige Toiletten, die ich so langsam echt gebrauchen könnte.
Diese 16 Kilometer fühlen sich an wie 16.000. Zu der Blase unter dem Fuß gesellt sich noch eine weitere, und auch der andere Fuß erhält eine. Durch die scheuernden Blasen wird jeder Schritt schmerzhafter.
Was wiederum zur Folge hat, dass ich hunderte Male daran denke, einfach aufzugeben und umzudrehen. Aber Sven geht immer weiter voran, schleift mich quasi hinterher, dass ich gar keine Gelegenheit bekomme, meinen Aufgabewunsch zu äußern.
Es wäre auch zu erniedrigend für mich, am dritten Tag aufzugeben. Immerhin scheint inzwischen die Sonne und es ist so warm, dass wir nachmittags am Kanucenter die feuchten Sachen trocknen und im Sonnenschein etwas entspannen können.
Später treffen ein Paar aus der Schweiz und ein Amerikaner aus Minnesota ein, die wir etwas neidisch beobachten, wie sie sich etwas Warmes zu essen kochen können, während wir nur Müsliriegel haben.
Unsere 4. mittelschwere Etappe war 12 Kilometer lang.
Rest der 5. Etappe: Kanucenter – Abfluss des Amitsorsuaq am Westufer und + 6. Etappe: Amitsorsuaq Westufer – Ikkatooq Hütte
Als ich morgens aufwache, sind außer Sven alle bereits aufgebrochen. Anscheinend brauchte ich dringend die Erholung.
Widerwillig stehe ich auch auf und präpariere meine geschundenen Füße mit frischen Blasenpflastern, von denen ich zum Glück einen großen Vorrat dabei habe.
Vor dem Aufbruch nutze ich nochmal die Toilette aus – wer weiß, wann es nochmal eine gibt. Und dann brechen wir in eine richtige Mörder-Etappe auf.
Heute geht es zum größten Teil durch Sumpfgebiet, aufgeweicht von all dem Schmelzwasser, das die Berge herabgeflossen kommt.
Jeder zweite Schritt sinkt tief ein und der nächste Schritt wird nur noch schwerer. Irgendwann sind Schuhe und Socken komplett nass. Egal, weiter.
Das linke Knie tut durch die Stöße in tiefe Löcher, mit dem schweren Rucksack auf dem Buckel, jetzt auch weh. Egal, weiter.
Anstatt die wunderschöne, unbefleckte Natur zu bewundern und die fantastische Aussicht zu genießen, stapfe ich mit gesenktem Kopf dahin. Ich stelle mir vor, wie die Blasen unter meinen Füßen mit jedem Schritt größer werden und das wunde Fleisch von den Socken gescheuert wird. Aber egal, weiter!
Zum Glück macht Sven die ganze Zeit Fotos, denn meine Kamera ist im Rucksack und ich habe kein Verlangen, diesen auszuziehen und danach zu suchen.
Diese Etappe macht mich völlig fertig, aber sie hat auch etwas Gutes: Sie ist so widerlich, dass ich jetzt lieber den Arctic Circle Trail weitergehe, anstatt umzudrehen und mir diesen Albtraum nochmal anzutun.
Irgendwie, keine Ahnung wie genau, schaffen wir die ca. 25 km zur Ikkatooq Hütte, die auch beim Blick zurück scheinen wie 200 km.
Die Schweizer und der Amerikaner sind auch da und sind völlig überrascht, dass wir es geschafft haben. Sie haben ja meine Füße gesehen und hatten gewettet, dass ich einen Tag Pause im Kanucenter einlegen würde.
Damit haben sie absolut recht, hätte ich machen sollen. Aber jetzt sind wir hier und in dieser Hütte (6 Betten) ist noch Platz für uns.
Als Krönung des Ganzen bieten die beiden Schweizer uns an, auf ihrem Kocher Wasser zu kochen. Nach 4 Tagen gibt es endlich wieder etwas Warmes zu essen. Wir unterhalten uns abends noch eine Weile, lange halte ich aber nicht durch und falle hundemüde in meinen Schlafsack.
Die heutigen Etappen verliefen zunächst leicht über 4 Kilometer, die 6. Etappe war dann schwer und verlief über 19,2 Kilometer.
7. Etappe: Ikkatooq Hütte – Eqalugaarniarfik Hütte
Eigentlich wollen wir heute in der Hütte bleiben und die Blasen und Schmerzen auskurieren, aber dem Knie geht es mittags wieder richtig gut.
Also packen wir “schnell“ zusammen und gehen den anderen hinterher, die schon einige Stunden Vorsprung haben und uns heute bestimmt wieder nicht erwarten werden.
Am Anfang geht es steil bergauf und mir geht es ganz gut. Später, als wir dann alles, was wir am Anfang bergauf gekraxelt sind, wieder runtermüssen, tut es mir unter dem rechten großen Zeh ziemlich weh.
Ich gucke nach und entdecke eine schöne Blutblase auf der kompletten Unterseite – super, mal was Neues! Auch die anderen Blasen schmerzen, aber das Wetter ist einfach zu gut, um in der Hütte abzuhängen.
Und wer weiß, ob es morgen nicht regnet, also lieber bei schönem Wetter weiterwandern. Am Nachmittag heißt es Rucksäcke abschnallen, Schuhe und Socken ausziehen und Hose hochkrempeln: Mitten durch den Weg fließt ein Fluss, den wir durchwaten müssen.
Das Wasser ist eiskalt und hat auch eine gute Strömung, aber es ist mal echt eine Abwechslung zum sonst eintönigen Laufen und schon ein kleines Abenteuer in unserem großen Abenteuer auf dem Trail.
Anschließend geht es durch ein trockeneres Gebiet in Flussnähe, sehr angenehm zu laufen, nur leider nicht auf Dauer. Wir wandern kurz darauf wieder lange Zeit durch ein Moorgebiet und das Knie meldet sich unmittelbar im Anschluss.
Noch eine letzte Anhöhe hinauf und wir sehen die Hütte. Parallel auf einem kleinen Pfad kommt gerade Bill, der Amerikaner, vom Wasser holen zurück. Wir treffen gemeinsam bei der Hütte ein. Wie er uns berichtet, sind die beiden Schweizer noch ein Stück weitergegangen.
Wir sind also zu dritt in der Hütte, in der es Matratzen für vier gibt. Später kommt dann noch Simon aus der Nähe von Stuttgart rein.
Ihn haben wir schon in Kangerlussuaq kennengelernt, seitdem aber nicht mehr gesehen. In der Hütte gibt es eine fast leere Dose Gas und mit Bill´s Kocher können wir uns ein warmes Abendessen kochen!
Da hat sich das Wandern trotz der Schmerzen ja heute gelohnt. Außerdem unterhalten wir uns alle noch eine ganze Weile und der Tag geht mit guten Gefühlen und einer schönen Lichtstimmung zu Ende.
Diese mittelschwere Etappe war 12,6 km lang.
Tag 6 – 15. August 2015 – Ruhetag
Heute bleiben wir wirklich in der Hütte, die anderen wandern weiter. Zum Frühstück nutzen wir noch einmal Bill´s Kocher und machen ein Trek´n´eat Gericht warm, dazu gibt es heißen Tee.
Draußen scheint die Sonne und es ist auch recht warm und windstill, aber das bedeutet leider auch, dass es von Mücken nur so wimmelt.
Daher verbringen wir die meiste Zeit des Tages in der Hütte. Mittags pflege ich meine wunden Füße mit Bepanthen und mache ein Nickerchen.
Und am Abend wage ich ein Experiment: Maggi Asia Nudel Snack mit kaltem Wasser. Wie erwartet ist es ekelhaft. Vor allem das Pulver löst sich im kalten Wasser nicht richtig auf, sondern treibt so klumpig drin herum. Aber immerhin werden die Nudeln weich…und schmecken halt wie kalte, nasse Nudeln.
Was machen wir sonst noch heute? Wir sortieren alles Essen aus, für das man heißes Wasser braucht, und lassen es in der Hütte zurück. Da wir jetzt einen Tag hinter den anderen zurückliegen, ist es unwahrscheinlich, dass wir nochmal was Warmes bekommen.
Nur von den Trek´n´eat Beuteln kann ich mich nicht trennen. Nach der Aussortier-Aktion wirkt auch der Rucksack gleich viel leichter.
8. Etappe Eqalugaarniarfik Hütte → Innajuattoq II Hütte
Der Tag beginnt bewölkt und droht, sich nicht merklich zu verbessern. Daher treibt uns auch nichts so richtig an. Wir lassen uns viel Zeit und verlassen die Hütte erst gegen 10 Uhr.
Gleich zu Beginn gibt es einen steilen Anstieg, gefolgt von vielen feuchten bis moorigen Abschnitten, die Schuhe und Socken mit Feuchtigkeit tränken.
Später führt der Arctic Circle Trail an zwei großen Seen direkt am Ufer entlang, was zwar landschaftlich wunderschön anzusehen ist, mich aber körperlich weiter an den Rand meiner Leistungsbereitschaft bringt.
Der Weg ist nämlich sehr schmal, und der linke Fuß tritt immer leicht am Hang auf, was die Blase an dieser Seite weiter in Mitleidenschaft zieht.
Irgendwann erreichen wir das im Buch angekündigte Moor, in dem mein Knie auch mal wieder einiges abbekommt. Wohl als Ausgleich zu den schmerzenden Füßen.
Zusätzlich umschwirren uns hier zahllose Mücken und es regnet immer wieder kurz. An eine Pause und etwas Ausruhen ist unter diesen Bedingungen nicht zu denken, also marschieren wir stoisch weiter.
Immerhin gibt es gelegentlich ein paar Bäche zu kreuzen, was etwas Abwechslung in die Monotonie des Wanderns bringt.
Hinter dem Moor kommen wir um eine Hügelkuppe und erblicken eine Hütte. Von dieser aus dauert es weitere 30 Minuten bis zur zweiten Hütte dieser Etappe.
Der Weg lohnt sich meiner Meinung nach, denn die Hütte ist sehr groß, es finden sich mit Glück zurückgelassene Gaskartuschen und es gibt auch wieder ein richtiges Klo. Was mir sehr gelegen kommt, da ich „draußen“ nur sehr schlecht kann.
Zu unserer Überraschung finden wir einen teilweise defekten Kocher und eine dazu passende, halb leere Dose Gas auf der Küchenarbeitsplatte.
Sven bastelt etwas daran herum, bekommt es hin und wir können zum Abendessen herrliches heißes Tütenfutter genießen.
Später kommt noch eine dänische Familie rein, bleibt allerdings nur zum Kochen und Essen. Zum Schlafen ziehen sie sich in ihre Zelte zurück, die draußen im Regen stehen. Wir haben die 10-Personen-Hütte für uns alleine.
Die heutige schwere Etappe war 20,7 km lang.
9. Etappe Innajuattoq II Hütte – Nerumaq Hütte
Herrliches Wetter heute Morgen in Grönland. Der Tag beginnt richtig gut, denn auch Schuhe und Socken sind wieder fast trocken.
Etwas motivierter als sonst geht es los, bis wir an einen Fluss kommen, den es zu überqueren gilt. Allerdings können wir einfach keine Stelle finden, die problemlos machbar wäre.
So hüpfen wir von Stein zu Stein, was natürlich endet, wie erwartet: Ich rutsche ab und stehe bis zur Wade im kalten Wasser. Aber hey, jetzt ist es auch egal und ich marschiere einfach quer durch den Fluss.
Hinter dem Fluss geht es eine Weile am Seeufer entlang. Dann über etwas Geröll, gefolgt von überwuchertem Geröll, ab und zu abgelöst durch Morast und mehr Geröll.
Zum Glück hält das sonnige Wetter nicht den ganzen Tag an, sondern weicht Kälte und Gegenwind. Das Angenehme daran ist natürlich, dass die Mücken bei starkem Wind keine Chance haben, uns anzuzapfen!
Sechs Stunden etwa dauert diese Etappe für uns. Aber wir schaffen es bis zur Nerumaq Hütte, die innen komplett weiß gestrichen ist und deren Türe nicht richtig schließt. Alles andere als gemütlich, daher legen wir uns schon früh hin, in der Hoffnung, morgen etwas früher als sonst zu starten.
Diese leichte Etappe vom Arctic Circle Trail verlief über 17,5 Kilometer.
10. Etappe Nerumaq Hütte – Hütte am Fjord Kangerluarsuk Tulleq
Eigentlich ist die Etappe gar nicht so schlimm, besonders für geübte Wanderer eher leicht. Wir laufen die Strecke in etwa 6 Stunden – ohne eine Pause, weil die Mücken hier in Wolken erscheinen und uns unerbittlich umschwirren.
Unterwegs sorgen wieder Flussquerungen für Abwechslung, bei denen wir die Chance nutzen, unsere Socken etwas anzufeuchten.
Dextro Energen wirkt auf halber Strecke Wunder, gibt einen Schub an Energie und hebt die Laune ein wenig. Von einer Hochebene aus, die über einen steilen Pfad erklommen wird, kommt die Hütte in Sichtweite.
Wir haben allerdings noch eine Stunde mit Gegenwind zu kämpfen, bevor sie tatsächlich erreicht ist.
Die Hütte ist etwas kleiner als die vorherigen, steht allerdings in einer unglaublich schönen Landschaft. Es gibt zwar keine Toilette, aber dafür finden wir wieder Gas zum Kochen.
Fünf Kilometer entfernt, und steil bergauf, steht ein richtiges Klohäuschen. Da kommen wir morgen dran vorbei, solange werde ich aushalten können. Wir bleiben in der Hütte, statt in der Nähe der Toilette das Zelt aufzuschlagen.
Bisher haben wir trotz meines langsamen Tempos gut Strecke gemacht und haben daher noch einiges an Zeit, bevor wir in Sisimiut sein müssen.
Wir planen deshalb, die morgige Etappe zu teilen und auf halber Strecke das Zelt aufzuschlagen. Dadurch haben wir noch länger etwas von der beeindruckenden Natur Grönlands.
Diese mittelschwere Etappe ist 17,5 Kilometer lang.
11. Etappe Hütte am Fjord Kangerluarsuk Tulleq – Sisimiut
Jetzt doch bis nach Sisimiut ? Die Erklärung folgt …
Wir brauchen zwei Stunden für den steilen ersten Anstieg dieser Etappe. Kurz bevor wir oben angelangt sind, kommt eine ebene Fläche, an deren Rand das besagte Klohäuschen steht.
Weshalb es hier steht, kann ich nicht sagen, aber ich bin dankbar, dass es da ist. Nur leider haben anscheinend viele Menschen dieses Häuschen mit einem Mülleimer verwechselt.
Es liegen Unmengen an Red Bull Dosen und weiterer Plastikmüll auf dem Boden verteilt. Von der Sauberkeit der eigentlichen Toilette fange ich besser nicht an. Ich rate dazu Feuchttücher mitzubringen!
Nur ein paar Kilometer weiter den Arctic Circle Trail entlang soll eine Hütte des Schneescootervereins von Sisimiut stehen. Hier wollen wir heute übernachten und morgen dann den restlichen Weg in die Stadt hinter uns bringen.
Aber nach vier Stunden wandern steht fest – entweder die Hütte ist weg oder wir sind dran vorbeigelaufen, ohne sie zu sehen.
Jetzt befinden wir uns auf einer Hochebene ohne jeglichen Windschutz, was das Zelten nahezu unmöglich macht. Und dann kommen uns drei Wanderer entgegen, die den ACT in umgekehrter Richtung gehen, und verraten uns, dass wir in drei Stunden in Sisimiut sein können.
Was bleibt uns also übrig, als auf die Zähne zu beißen und durchzuziehen? Übrigens werden aus den drei Stunden, die uns angekündigt wurden, mal eben fünf Stunden!
Davon eine ganze Stunde, als Sisimiut bereits in Sichtweite ist. Du siehst die Stadt schon gegenüber am Fjord liegen, aber bis du tatsächlich da bist, musst du noch einer elendig langen Schotterstraße folgen.
Auf der mittelschweren Etappe haben wir 22,5 Kilometer hinter uns gebracht.
Das Ende des Arctic Circle Trails in Grönland
Doch dann ist es geschafft – wir haben die 150 km des Arctic Circle Trails in Grönland vollendet.
Hättest du das nach den ersten paar Etappen gedacht? Ich ebenfalls nicht.
So oft habe ich mir nichts mehr gewünscht, als umzudrehen. Oder mich von einem Rettungshubschrauber ausfliegen zu lassen. Dass ich den ACT gepackt habe, verdanke ich einzig und allein meinem Kumpel Sven, der mich da durch geschleppt hat, trotz all der schlechten Laune, die ich an ihm ausgelassen habe.
Ich bin unendlich dankbar für dieses Erlebnis, bei dem ich so einiges über mich selbst gelernt habe. Das allerwichtigste: NIEMALS AUFGEBEN !!
Die Großstadt am Arctic Circle Trail: Sisimiut
Sisimiut ist die zweitgrößte Stadt Grönlands mit etwa 5.600 Einwohnern.
Nach der langen Wanderung erstreckt sie sich gefühlt über dutzende Kilometer, obwohl sie tatsächlich natürlich ziemlich klein ist.
Aber allein vom Ortseingang bis zu unserer Unterkunft, dem Vandrehjem, sind wir gute 30 Minuten unterwegs.
Da es Rooming zum Zeitpunkt der Wanderung noch nicht gibt, ist mein Handy für ausgehende Anrufe geblockt. Das macht es schwierig, den Betreiber der Herberge zu kontaktieren, da er nicht oft vor Ort ist. Seine Handynummer ist auf einem Zettel an der Eingangstüre aufgeschrieben.
Als er dann da ist, bekommen wir ein Zimmer im Sisimiut Vandrehjem mit einem Etagenbett und einem Schrank, was uns für 3 Nächte 167 EUR kostet. Internetzugang kostet extra, nämlich 26 EUR für 4 Stunden!
Das Beste ist aber, dass wir viele Wanderer wiedertreffen, die uns unterwegs begegnet sind. Die Geschichten müssen allerdings noch etwas warten – wir können es nicht erwarten, endlich wieder zu duschen.
Nach 11 Tagen wieder richtig sauber zu sein ist unbeschreiblich.
In der Gemeinschaftsküche kann man alles benutzen, also kochen wir Wasser und futtern die letzten Trek´N´Eat Mahlzeiten.
Sauber und satt gehen wir danach alle ins örtliche Pub, wo später die Locals sehr zutraulich werden. Das könnte am steigenden Alkoholpegel liegen, oder weil wir einfach eine Gruppe Fremde sind und die sich uns einfach mal genauer ansehen möchten.
Jedenfalls wird es ein netter Abend mit Konversationen, eher geführt mit Händen und Füßen, aber alle verstehen sich und haben Spaß.
Am nächsten Tag stellt sich heraus, dass die Stadt nicht wirklich groß ist.
Der Stadtrundgang dauert ganze drei Stunden, obwohl wir so ziemlich jedes einzelne Geschäft besichtigen und noch im Supermarkt einkaufen gehen.
Sisimiut scheint nicht auf Touristen eingestellt zu sein – was merkwürdig ist, halten hier doch dauernd Kreuzfahrtschiffe an. Und auch Wanderer des Arctic Circle Trails dürften hier in der Saison andauernd durchkommen.
Übrigens: 2015 werden unter der Woche um 19 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt. Alle Geschäfte sind geschlossen, bis auf den Pub und den Spar Supermarkt. Abends essen gehen will also ein wenig geplant sein.
Allgemeine Infos und Packliste für den Arctic Circle Trail
- Auf dem Arctic Circle Trail gibt es zwischen Kangerlussuaq und Sisimiut keine Einkaufsmöglichkeiten.
- Es gibt keinen Handy-Empfang im Falle eines Notfalls.
- Wanderer müssen in der Lage sein, alleine in der Wildnis klarzukommen.
- Es sollte unbedingt Zeltausrüstung mitgeführt werden. Auf dem Wanderweg stehen zwar in Abständen einfache Hütten zur Verfügung, diese können aber komplett belegt sein.
- Im Flughafengebäude in Kangerlussuaq kann man Schließfächer für Gepäck mieten, um nicht benötigtes Equipment (frische Kleidung) zu deponieren.
- Gute Informationen zur Vorbereitung findest du bei Wikivoyage und Destination Arctic Circle.
Meine Packliste für den Arctic Circle Trail in Grönland
- Lowe Alpine – Cerro Torre 65-85 Rucksack
- Hanwag Wanderstiefel
- 0 Grad Synthetik Schlafsack
- Vaude Arco 2 Personen Zelt
- Patagonia Hardshell Regenjacke
- Aufblasbare Isomatte
- Regenhose
- Moskitonetz
- Fjällräven Wanderhose
- 2 Merinoshirts leicht, 1 Merinoshirt warm
- 3 Paar Merino Wandersocken, 3 Paar Synthetik Unterwäsche
- 1 Buff, 1 Trekking Handtuch, Mütze & leichte Handschuhe
- Toilettenpapier, Fenistilgel, Bepanthen, Ibuprofen, Blasenpflaster, Bio-Duschgel, Zahnpasta, Zahnbürste, Feuchttücher
Mein Fazit zum Arctic Circle Trails in Grönland
Die drei Wanderungen zu Preikestolen, Kjeragbolten und Trolltunga gelten zu Recht als absolute Klassiker in Norwegen. Die Aussichten sind wunderschön, und das Wandern in der Natur weckt die Sinne und gibt einen Hauch von Abenteuer.
Außerdem bist du mit dem Rucksack auf dem Rücken auf das Nötigste reduziert, was in unserer digitalen Welt eine willkommene Abwechslung zum stressigen Alltag sein kann.